Max Lang ist derzeit wohl eines der vielversprechendsten Talente des deutschen Gewichthebens. Der Sportsoldat begeistert Weightlifting-Fans in aller Welt und versucht, dem Olympischen Gewichtheben auch hierzulande eine Stimme zu geben. Mit uns hat Max gesprochen über die Faszination, Herausforderungen und Zukunft seiner Disziplin.
sofimo.de: Mach mal ein bisschen Werbung für das Olympische Gewichtheben: Warum sollte ich den ganzen Tag nichts anderes machen, als schwere Gewichte über meinen Kopf zu heben?
Max Lang: Für mich liegt der Reiz des Gewichthebens vor allem darin, dass es eine Einzelsportart ist. Du stehst allein auf der Bühne und bist für dich allein verantwortlich. Das heißt: Wenn ich es im Training habe schleifen lassen, kann das jeder auf der Plattform sehen. Aber umso mehr ich mich reinhänge, desto mehr Erfolg ernte ich auch. Das ist der Part, der mir persönlich sehr viel Spaß macht.
Wobei ich mir vorstellen kann, dass grade das Einzelkämpfertum für viele erstmal abschreckend ist.
Man muss schon der Typ dafür sein. Es lohnt sich aber auf jeden Fall, dem Ganzen mal eine Chance zu geben. Mich stachelt es jedes Mal extrem an, wenn ein Wettkampf nicht so lief wie erhofft, und so entwickele ich mich immer weiter und wachse an der Aufgabe.
Ein weiteres großes Plus des Olympischen Gewichthebens: Man unterscheidet sich vom klassischen „Diskopumper“. Durch das sehr funktionale Training passen unsere Körperproportionen auch optisch sehr gut zueinander. Wir trainieren Muskeln, die das reine Krafttraining ohne die explosive Komponente gar nicht erreichen kann.
Um das mal zu veranschaulichen: Ich konnte aufgrund von Schulterproblemen 6 Wochen lang nicht reißen [Anm.: Das Heben der Langhantel vom Boden über den Kopf in einer fließenden Bewegung] und habe in dieser Zeit „nur“ Krafttraining für die Schulter betrieben. Ich hatte das Gefühl, immer noch stark zu sein. Aber als ich das Reiß-Training wieder aufgenommen habe, hatte ich am nächsten Tag Muskelkater.
Last but not least: Der gesundheitliche Aspekt. Wenn man das Gewichtheben mit sauberer Technik und Moderation betreibt, ist es sehr förderlich für die Gesundheit weil es den gesamten Bewegungsapparat kräftigt.
sofimo.de: Welche Talente sollte ich mitbringen, um ein erfolgreicher Gewichtheber zu werden?
Max Lang: Ich sollte auf jeden Fall beweglich sein. Das ist das, was die meisten Leute unterschätzen. Viele Einsteiger müssen sich erstmal die notwendige Mobilität von Grund auf aufbauen, bevor es an die Gewichte geht.
Des Weiteren sollte man kein Bewegungs-Legastheniker sein. Die Bewegungsabläufe sind sehr komplex. Ein gewisses Maß an Koordination und Körpergefühl sollte vorhanden sein.
Wichtig ist auch eine Grundkraft, welche die Entwicklung von Maximal – und Schnellkraft erst ermöglicht. Weiter sollte man motiviert sein, auch wenn es manchmal sehr viel Geduld erfordert, um Bewegungsabläufe über einen längeren Zeitraum sicher im Kopf abzuspeichern. Man muss einfach dranbleiben.
sofimo.de: Du bist derzeit der wohl technisch schönste Gewichtheber Deutschlands. Was ist das Besondere an dir?
Max Lang: Was die Schnelligkeit angeht, von der ich eben sprach, bin ich genetisch schon sehr gut aufgestellt. Dafür musste ich nie viel trainieren – nichts destotrotz gibt es natürlich immer noch Heber, die viel schneller sind!
Was meine Technik angeht: Ich habe immer versucht, das Gewichtheben wirklich zu verstehen. Zu durchdringen, warum ich die und die Bewegung so ausführe. Dadurch ist man dann auch in der Lage, sich eine individuelle Technik zusammen zu stellen, die für die eigene Physis die effizienteste ist.
Als ich anfing mit dem Sport sah ich genauso grobmechanisch aus wie jeder Einsteiger. Von Trainer zu Trainer kam dann immer mehr Feintuning hinzu. Auch durch Videoanalysen habe ich viel gelernt. Und dann ist es eine Frage der Konzentration und des Stehvermögens. Man kann die Technik nicht auf einen Schlag verändern, jede kleine Anpassung benötigt ca. 1000 Wiederholungen, um sich zu automatisieren. Ich habe ja auch die Rahmenbedingungen hier, bis zu zweimal am Tag zu trainieren, um das notwendige Trainingsvolumen sicher zu stellen.
sofimo.de: Das klingt weniger nach Talent als nach harter Arbeit?
Max Lang: Ich nehme immer davon Abstand zu sagen: Ich bin einfach talentiert. Es gibt immer Leute, die talentierter sind. Aber irgendwann ist auch im Gewichtheben Schluss mit dem Talent und dann muss man arbeiten. Und ich habe angefangen mit der Arbeit, bevor dieser Punkt kam.
sofimo.de: Hast du ein Vorbild?
Max Lang: Bezüglich Technik und Gesamtpaket: Lu Xiajun aus China aus der 77kg-Klasse. Da passt einfach alles.
Die meisten Leute stellen sich unter einem Gewichtheber einen älteren Herren mit dickem Bauch vor, der eigentlich überhaupt nicht nach Sport aussieht. Aber Lu ist das Bild, zu dem die Menschen hindenken müssen. So muss ein Gewichtheber sein: Dynamisch, athletisch und enorm stark. Und seine Technik ist nahezu perfekt. Effizienter als Lu kann man nicht heben! Wenn ich selber einen Hänger in meiner Technik habe, schaue ich mir seine Videos auf Youtube an.
sofimo.de: Was geht in deinem Kopf vor, bevor du an eine schwere Hantel trittst? Hast du einen mentalen Trick?
Max Lang: Eine Zeit lang hatte ich damit tatsächlich große Probleme. Gewichtheben entscheidet sich in Millisekunden, vom Wegheben an. Entweder der Ablauf passt und ich bleibe nervlich stark, oder der ganze Versuch geht weg. Ich versuche einfach, vor dem Versuch runterzufahren, während andere sich pushen. Ich gehe lieber noch mal in mich, gehe den Ablauf im Kopf durch und gehe mit einer gewissen Lockerheit an die Last.
sofimo.de: Was ist deine Lieblings-Ergänzungs-Übung und warum?
Max Lang: Es gibt da zwei. Für das Reißen ist es das Kraft-Reißen [Anm.: Eine Variante des Reißens, bei dem das Gewicht ohne die eigentlich übliche Neupositionierung der Füße und das „Ziehen“ des eigenen Körpers unter die Hantel gehoben wird]. Die perfekte Möglichkeit, um sich selbst zu kontrollieren: Kann ich die Hantel nah am Körper führen, kann ich sie beschleunigen und schnell umgruppieren?
Im Stoßen ist es das Schwungdrücken [Anm.: Die Hantel wird mit Schwung von der Schulter in die Überkopf-Position gebracht und dort durch das Durchstrecken der Arme fixiert]. Dadurch trainiere ich den explosiven Auftakt des Ausstoßens.
sofimo.de: Hat Laufen, bzw. Cardio-Training einen Platz in deinem Trainingsalltag?
Max Lang: Grundsätzlich nicht. Ich habe Wettkämpfer laufen sehen, um kurzfristig Gewicht für den Wettkampf abzunehmen. Ansonsten ist es kein Bestandteil unseres Trainings.
sofimo.de: Wie clean sieht deine Ernährung aus bzw. wie wichtig ist „saubere“ Ernährung im Gewichtheben?
Max Lang: Da scheiden sich die Geister. Ich persönliche lege viel Wert auf gutes Essen. Ich habe keinen festen Ernährungsplan, versuche aber, mich an Zeiten zu halten und möglichst clean zu essen. Ich esse momentan sehr viel Gemüse, was meinem allgemeinen Wohlbefinden sehr gut tut. Ehrlich gesagt lege ich auch Wert auf mein Aussehen; Man soll schon sehen können, dass ich trainiere und auf meine Ernährung achte.
Was noch wichtiger ist: Die Ernährung beeinflusst die Qualität meiner Körperzusammensetzung und meiner Muskulatur. Warum sollte ich diese Reserve auslassen?
sofimo.de: Wie steht es mit Supplementen?
Max Lang: Meiner Meinung nach ist dieser Sport ohne Supplemente schwer möglich. Es sei denn, man hat den ganzen Tag Zeit zu kochen. Habe ich nicht, daher mache ich mir das Leben etwas leichter. Ich supplementiere auch nicht viel: Aminosäuren, Eiweiß, Kreatin, eventuell noch Glutamin. Nur die Basics. Den Rest hole ich dann am Ende doch über die Ernährung rein.
sofimo.de: Wie stehst du zum CrossFit – ein Segen für das Olympische Gewichtheben oder Hampelmänner, die Hanteln mit schlechter Technik herumschmeißen?
Max Lang: Ich selber bin totaler Fan vom CrossFit! Ich finde es wahnsinn, wie die Sportler sich da auspowern bis zum Äußeren. Ich selber habe ja auch schon ein paar WOD’s mitgemacht und jedemal währenddessen gedacht: Das hältst du doch niemals durch!
Wenn ich mir Wettkämpfe ansehe bin ich immer wieder beeindruckt von dieser Mischung aus Maximalkraft und Kraftausdauer und vor allem Durchhaltevermögen. Es macht einfach Spaß, zuzusehen.
Und natürlich ist CrossFit ein Segen für das Gewichtheben! Die CrossFitter suchen jetzt vermehrt den Kontakt zu den Gewichtheber-Vereinen und sind da sehr aktiv dabei.
Ich war im letzten Jahr zum German Throwdown [Anm.: Der derzeit größte und renommiertest deutsche CrossFit-Wettkampf] und war erstaunt, wie spannend man solche Wettkämpfe aufziehen kann. Da ist das Gewichtheben noch weit hinterher. Da ist alles noch sehr traditionell und eingefahren. Dabei haben wir das Potenzial, es genauso unterhaltsam zu gestalten, wie es CrossFit vormacht.
sofimo.de: Wie siehst du die Zukunft des deutschen Gewichthebens?
Max Lang: Gewichtheben ist momentan ein schwieriges Thema, weil uns einfach der Nachwuchs fehlt. Es fällt uns ziemlich schwer, junge Leute an den Sport ranzuführen. Das liegt vor allem an diesem falschen Bild, dass der Durchschnittsbürger vom Gewichtheben hat – wie ich zuvor sagte: Dicke Typen, die schwere Lasten heben. Dabei können das auch ganz athletische Menschen sein, Mittelgewichtler zum Beispiel. Man kann gut aussehen vom Heben. Und es kann vor allem Spaß machen!
Im Endeffekt ist es Aufklärungsarbeit für uns. Das Ziel ist irgendwann, dass auch mal eine Mutter von drei Kindern sagt: Hey, das ist eigentlich ziemlich cool was die da machen, da schick ich meine Kinder doch auch mal hin.
sofimo.de: Was tust du konkret, vor allem an der Social Media-Front, um Gewichtheben salonfähig zu machen?
Max Lang: Momentan bin ich wieder mehr auf das Training konzentriert als auf die Öffentlichkeitsarbeit. Nichts destotrotz versuchen wir ständig vor allem durch Videos auf den entsprechenden Kanälen, die Menschen zu erreichen. Das Feedback ist hervorragend, mir gelingt es scheinbar, die Zuschauer zu motivieren. Ich hoffe, dass man irgendwann meinen Namen zumindest im Hinterkopf mit dem Gewichtheben verbindet.
Motivation ist das eine. Ich will natürlich auch durch meine Videos Wissen vermitteln. Den Menschen überhaupt erstmal zeigen: Wie soll denn so eine richtig saubere Kniebeuge aussehen? Ich bin auch gern Anlaufstelle für Fragen zu den Bewegungen.
Wir leben eben in einem Zeitalter, in dem Social Media den größten Einfluss hat, auch auf die angesprochene Mutter und ihre Kinder. Genau da können wir sie erreichen – und genau da steht das Gewichtheben noch am Anfang. Wenn es aber noch mehr Athleten wie mich geben würde, die sich da engagieren, haben wir ja schon viel gekonnt. Dann steuern wir auch auf eine sehr positive Zukunft zu, auch im Leistungssport. Der Breitensport ist durch CrossFit ja bereits sehr gut abgedeckt.