Vegan zur Top-Leistung – Geht das wirklich?

Vegane Ernährung liegt voll im Trend in Deutschland. Kochbücher mit tollen Rezepten, die ganz ohne tierische Produkte auskommen, stürmen unaufhaltsam die Bestseller-Listen. Auch immer mehr Spitzensportler schwören auf den veganen Lebensstil. Skeptiker werfen in diesem Zusammenhang aber vor allem eine Frage auf: Wie lassen sich körperliche Spitzenleistungen ohne den „Muskelturbo“ tierisches Eiweiß erzielen?

Patrik Baboumian wiegt mehr als 120 kg bei einer Körpergröße von nur 1,71 m. Was sich liest wie die Daten eines Mannes mit ernsthaften gesundheitlichen Problemen, sind die Maße des Europameisters von 2012 im Powerlifting und des Strongman von 2011 in Deutschland.

Baboumians Oberarmumfang beträgt 50 cm, seine Bestleistung beim Kreuzheben liegt bei 360 kg, er hat auch schon 150 kg schwere Bierfässer angehoben – all das zunächst als Vegetarier und seit 2011 als Veganer. Baboumian ist der lebende Beweis, dass sich Kraftsport und Veganismus nicht ausschließen. Dass der menschliche Körper auch ohne Nährstoffe aus tierischem Ursprung Höchstleistungen erbringen kann. Und Baboumian ist nicht der einzige Beleg.

Olympiasiege sind auch für Veganer möglich

Bereits der US-Leichtathlet Carl Lewis stürmte zwischen 1984 und 1996 mit veganer Ernährung zu neun Olympischen Goldmedaillen über die Sprintstrecken sowie im Weitsprung. Auch Tennis-Ikone Martina Navratilova – Siegerin von 59 Grand-Slam-Turnieren in Einzel, Doppel und Mixed – lebt schon lange aus Überzeugung vegan.

Selbst in der sonst so skeptischen Fußball-Branche wächst die Zahl der Veganer. Borussia Dortmunds Trainer Thomas Tuchel hat in der Liga eine Welle losgetreten, der sich unter anderem Weltmeister Mats Hummels und Nationalspieler Ilkay Gündogan angeschlossen haben.

Sie alle beschäftigen sich als Leistungssportler mit ihrem Körper und versuchen, auch bei der Ernährung an allen möglichen Stellschrauben zu drehen, um noch leistungsfähiger zu werden. Mit dem kompletten beziehungsweise partiellen Verzicht auf tierische Produkte ist ihnen das gelungen.

Auf welche Lebensmittel verzichtet man bei veganer Ernährung?

Wenn man sich vegan ernährt, stehen sämtliche Produkte aus tierischem Ursprung auf dem Index. Anfang 2015 lag die Zahl der Veganer bei etwa 850.000 Bürgern, das sind 1,2 Prozent der Bevölkerung. Die Millionen-Marke dürfte spätestens 2016 fallen.

Neben Motiven der Ernährung gaben bei den meisten Veganern auch Fragen der Tierethik und des Umweltschutzes den Ausschlag zur Umstellung der Lebensgewohnheiten. Veganismus geht damit einen Schritt weiter als der Vegetarismus, bei dem ausschließlich auf den Verzehr von Tieren verzichtet wird. Wer vegan lebt, verzichtet auch auf die Erzeugnisse von Tieren.

Die schwarze Liste eines Veganers:

  • Fleisch
  • Fisch
  • Eier
  • Milch
  • Milchprodukte und Milcherzeugnisse
  • Honig
  • Gelatine

Für diese Lebensmittel suchen sich viele Veganer Ersatzprodukte nicht-tierischen Ursprungs. Weil die Zahl der Veganer sowie der teilweise vegan lebenden Menschen wächst, nimmt auch die Menge an Alternativen zu. Fades Tofu ist längst die Ausnahme. In Bioläden und auch in immer mehr Supermärkten sind bereits ganze Regalwände mit veganen Produkten unterschiedlichster Couleur gefüllt.

Vegane Alternativen zu konventionellen Lebensmitteln sind u.a.:

  • als Fleisch-Ersatz: Seitan, Tempeh, Soja, Tofu, Yuba, Lupine
  • als Eier-Ersatz: Sojamehl, Lupinenmehl, Pfeilwurzelstärke, Kichererbsenmehl, Tofu, Avocado
  • als Milch-Ersatz: Lupinenmilch, Getreidemilch, Kokosmilch, Mandelmilch, Reismilch, Sojamilch, Nussmilch
  • als Käse-Ersatz: Nährhefe, Lupine, Soja, Seidentofu, Seitan, Hefeschmelz, Kartoffelstärke, Mandelcreme, Cashewkerne, geriebener Blumenkohl, gequollene gemahlene Flohsamenschalen, Nussmuse mit Wasser
  • als Honig-Ersatz: Agavendicksaft, Ahornsirup, Löwenzahnhonig, Reismalz, Zuckerrübensirup
  • als Gelatine-Ersatz: Agar, Fruchtpektin, Johannisbrotkernmehl, Guarkernmehl
  • als Sahne-Ersatz: Sojasahne, Lupinensahne, Hafersahne, Reis-Sahne, Mandel-Sahne
  • als Ersatz für Joghurt und Quark: Lupinenjoghurt, Sojajogurt, Seidentofu

Die vegane Ernährungspyramide

Die Ernährungspyramide eines Veganers sieht entsprechend anders aus als die Pyramide der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), in der auch Fleisch, Fisch und tierische Erzeugnisse berücksichtigt sind.

Fundament
Ganz unten in der veganen Ernährungspyramide – und damit als Haupt-Lebensmittel – findet man Wasser. Die empfohlenen 2,5 Liter pro Tag sollten über kalorienarme Getränke wie Mineralwasser, Tee, Leitungswasser aufgenommen werden. Auch Obst und Gemüse leisten aufgrund ihres hohen Wasseranteils ihren Beitrag zum Flüssigkeitshaushalt.

Ebene 1 Von den festen Lebensmitteln bilden Obst und Gemüse die Basis. Insgesamt fünf Einheiten pro Tag sind empfohlen, davon 3 bis 4 Einheiten Gemüse, welches weniger zuckerhaltig ist. Obst und Gemüse enthalten viele wichtige Vitamine und Spurenelemente.
Ebene 2 Bereits leicht reduziert sollte der Verzehr von Vollkornbackwaren sein sowie von Kartoffeln, anderen Getreideprodukten oder sogenannten Pseudo-Getreiden wie Quinoa, Amaranth und Chia.
Ebene 3 Auf der Ebene der eiweißreichen Lebensmittel werden besonders Hülsenfrüchte und Nüsse empfohlen.
Ebene 4 Sparsam sollte man mit Ölen, Fetten und Salz umgehen.
Ebene 5 Süßigkeiten, salzige Snacks und Alkohol stehen auf der obersten Ebene der veganen Ernährungspyramiden. Sie sollten – wenn überhaupt – nur in Ausnahmefällen sowie in kleinen Mengen konsumiert werden.

Was bringt Veganismus für Sportler?

Viele Veganer geben an, sich dank dieser Lebensweise unbeschwerter zu fühlen und insgesamt ausgeruhter und fitter zu sein. Zudem stellt sich in den ersten Monaten nach der Ernährungsumstellung ein Gewichtsverlust von 3 bis 5 Kilogramm ein. Dies bestärkt viele „Neu-Veganer“ in ihrer Entscheidung. Zum rapiden Gewichtsverlust kommt es vor allem, weil der Zuckerkonsum bei Veganern deutlich eingeschränkt ist.

Veganismus ist auch mehr als eine esoterische Modeerscheinung: So empfehlen immer mehr führende Universitäten mittlerweile eine pflanzliche Ernährung und raten von Milchprodukten ab, weil diese den Säure-Base-Haushalt schädigen. Der Trend zum Veganismus basiert also auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Doch nutzt das auch Sportlern, die Muskeln aufbauen wollen und diese mit viel Eiweiß hegen und pflegen müssen?

Der vegan lebende Mannschaftsarzt Klaus Pöttgen von Bundesliga-Aufsteiger Darmstadt 98 hat sich in seinem Beitrag „Fleischlos in der Bundesliga“ in der „Sportärztezeitung“ damit befasst. Darin beschreibt der langjährige Triathlet die Grundlagen einer veganen Ernährung für Sportler und die Möglichkeiten des Fleischverzichts auch für Profisportler.

Pöttgen schreibt, dass ein Fußballer wie etwa der vegan lebende Darmstadt-Angreifer Marco Sailer durch die zusätzliche Aufnahme hochwertige Nahrungsergänzungsmittel (u.a. B12-Präparate sowie vegane Eiweißriegel und Eiweißpulver) jeglichen Nährstoffmangel umgeht. Dies belegten seine Körper- und Blutwerte zweifelsfrei. Auch Sailer selbst gab ein überaus positives Feedback. Er regeneriere nach eigenem Bekunden schneller, fühle sich fitter und stärker, seit er sich vegan ernährt.

Funktioniert Veganismus auch im Kraftsport und Bodybuilding?

Für das Trainingsziel Muskelaufbau gelten die in tierischen Produkten enthaltenen Stoffe als besonders fördernd. Das empfohlene Maß von 1,5 Gramm Protein pro Tag und Kilogramm Körpergewicht für einen effektiven Muskelaufbau und Muskelerhalt kann man allerdings auch durch vegane Eiweißquellen erzielen.

Pflanzliche Proteine finden sich in Nüssen, Getreide, Hülsenfrüchten, Sojaprodukten und vielen grünen Gemüsesorten. Das Vorteil der pflanzlichen Eiweiße: Sie sind meist kalorienärmer als Proteine tierischen Ursprungs. Ein weiterer Pluspunkt: Auch mit Soja-Eiweiß kann man sich energiereiche Shakes zubereiten.

Hier sind die zehn besten veganen Eiweißquellen (Protein pro 100 g):

  • 1. Erdnüsse 25 g
  • 2. Mandeln 24 g
  • 3. Tofu 15,5 g
  • 4. Amaranth (roh) 14,5 g
  • 5. Walnüsse 14,4 g
  • 6. Kichererbsen (gekocht) 9 g
  • 7. Linsen (gekocht) 7,4 g
  • 8. Erbsen (gekocht) 5,6 g
  • 9. Sojamilch (Natur) 3,7 g
  • 10. Grüne Bohnen (gedünstet) 2 g

Zum Vergleich: Der Protein-Anteil von 100 g Seelachs liegt bei 18 g, der von Geflügelfleisch bei 21 g und der von Thunfisch bei 23 g.

Welche Risiken birgt eine vegane Ernährung?

Veganer sind durch ihre Nahrung neben Proteinen auch bestens mit wichtigen Makro- und Mikronährstoffen wie Kohlenhydraten, Ballaststoffen oder Magnesium versorgt. Als Risikofaktoren gelten gemeinhin eine Unterversorgung an Eisen, Vitamin B 12 oder Calcium. Doch auch dem kann man mit „natürlichen“ veganen Mitteln entgegenwirken.

Eisen etwa ist nicht nur in rotem Fleisch enthalten, sondern auch in Nüssen, Hülsenfrüchten oder Hirse. Pflanzliche calciumhaltige Lebensmittel für Kraftsportler und Bodybuilder sind beispielsweise Vollkorn, Hülsenfrüchte, Samen, Grünkohl, Lauch oder Brokkoli. Das einzige tatsächliche „Problem“ stellt die Versorgung mit Vitamin B 12 dar. Dieses ist tatsächlich ausschließlich in Fleisch enthalten. Veganer müssen es also durch die Einnahme spezieller Präparate zuführen.

Wie verbinde ich Veganismus mit Krafttraining?

Das Fazit: Veganismus lässt sich mit Ausdauersport und Krafttraining gut verbinden. Befolgen Sie einfach die folgenden Regeln.

  1. Essen Sie ausreichend: Der Kalorienverbrauch eines Sportlers ist per se hoch, während vegane Produkte verhältnismäßig kalorienarm sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass gerade vegan lebende Bodybuilder richtig reinhauen müssen, um ihrem Körper genug Energie zuzuführen und zugleich lange satt zu bleiben. Fünf oder sechs kleinere Mahlzeiten am Tag sind für sie besser als drei große.
  2. Essen Sie ausgewogen: Auch wenn Fleisch, Eier und Milchprodukte auf dem Speiseplan fehlen, ist ein breit gefächerter Ernährungsstil immer noch möglich. Diesen sollten Sie verfolgen, um ein breites Spektrum an Makro- und vor allem Mikronährstoffen aufzunehmen. Viel Obst und Gemüse, komplexe Kohlenhydrate und viele Hülsenfrüchte bilden den perfekten Mix.
  3. Sparen Sie auf keinen Fall an Kohlenhydraten und Proteinen: Leistungssport ohne Kohlenhydrate und Eiweiß funktioniert nicht. Kohlenhydrate sind der kurzfristige Turbo, Eiweiße der Baustoff der Muskeln. Achten Sie darauf, in jeder Mahlzeit mindestens eine gute Kohlenhydrat- und Proteinquelle unterzubringen.

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